120 Jahre Eintracht Braunschweig-Special: Die Fans Teil3

von Frank Vollmer


Die Achtziger: Die fetten Jahre sind vorbei, die Fans bleiben. Foto: Hartmut Neubauer
Die Achtziger: Die fetten Jahre sind vorbei, die Fans bleiben. Foto: Hartmut Neubauer | Foto: Hartmut Neubauer



Braunschweig. Anläßlich des 120. Geburtstages des BTSV blickt regionalSport.de zurück auf die Entwicklung der Fanszene rund um den blau-gelben Traditionsverein. In Teil 3 der Serie erfahren wir, wie die mediale Wahrnehmung den Fußball, aber auch die Fanszene, veränderte und Eintracht Braunschweig sportlich in eine triste Zeit steuerte.

Die wechselhaften Achtziger


Das neue Jahrzehnt begann mit einem Knall: Eintracht Braunschweig stieg zum zweiten Mal aus der Bundesliga ab. Der 'Betriebsunfall' wurde im darauffolgenden Jahr umgehend behoben. Noch vier weitere Jahre hielt das fragile finanzielle wie strukturelle Konstrukt des Vereins. Günter Mast, mittlerweile Präsident des BTSV, versuchte es nach überschwänglichen Jahren zunächst mit einem strikten Sparkurs. Am 14. Dezember 1983 gab es eine erste Mitgliederabstimmung. Der Traditionsverein sollte tatsächlich in SV Jägermeister Braunschweig umbenannt werden. Die Abstimmung über die Namensänderung wurde sogar angenommen, doch schob der NFV in letzter Sekunde einen Riegel vor, indem er die U-Mannschaften der Löwen für den Ligabetrieb mit der Begründung disqualifizierte, ein Alkoholprodukt sei nicht die richtige Basis für die Ausbildung von Junioren. Eintracht Braunschweig gab nach. Zum Glück wie man heute weiß. "Das war der eine große Bruch in der Fanszene. Das Thema Namensänderung und all seine Begleiterscheinungen hat dafür gesorgt, dass Fans dem Verein den Rücken zugewand haben. Der andere Bruch kam dann mit Volkswagen." Der Autobauer aus der Nachbarschaft plante 1986 bei Eintracht Braunschweig groß einzusteigen, heute würde man sagen: Aus der Eintracht einen Werksclub zu machen. Diese Idee lehnte ein Großteil der Braunschweiger Fans strikt ab. Statt in der Löwenstadt stieg Volkswagen beim VfL Wolfsburg ein, was die Gewichtung der Popularität des Fußballs in der Region zwischen Harz und Heide ein Jahrzehnt später nachhaltig verändern sollte.

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Hamburger Straße Anfang der Achtziger. Foto: Archiv Eintracht


Der schleichende Abstieg


Sportlich begannen in den Achtziger Jahren düstere Zeiten. Als Tabellenletzter stieg die Braunschweiger Eintracht in der Saison 1984/85 in die 2. Liga ab. Diesmal schlug eine sportliche Neuorientierung fehl, in der darauf folgenden Saison wurde man nur Zwölfter. Eintracht Braunschweig sollte für 28 lange Jahre von der Bundesligalandkarte verschwinden. Da der Rettungsversuch mit dem Partner Volkswagen fehl schlug, war man zwar als Verein relativ unabhängig, aber finanziell nicht mehr in der Lage, im Konzert der Großen mitzuspielen. Ein rauher Wind wehte von nun an an der Hamburger Straße.

Das Privatfernsehen entdeckt den Fußball


Ausgerechnet in dieser Zeit entwickelten die Medien ein gesteigertes Interesse für die 'Marke Fußball'. Am 13. Februar 1988 ging beim privaten Fernsehsender RTL die Sendung 'Anpfiff' mit ihrem Moderator Ulli Potofski an den Start. Es war die erste regelmäßige Fußballsendung im Privatfernsehen und leitete eine neue Zeitrechnung in der medialen Vermarktung ein: Hatte die ARD in der Saison 1987/88 noch 18 Millionen DM für die Übertragungsrechte gezahlt, sicherte sich der Kölner Privatsender diese nun für 135 Millionen DM. Werbefinanzierte Übertragung wurde zum großen Thema. Eintracht Braunschweig und seine Ligaspiele waren mittlerweile weit weg vom Fokus der Berichterstattung. Als der Verein 1993 zum zweiten Mal nach 1988 in die 3. Liga abstieg, wiederholte sich diese mediale Distanzierung erneut: Kurz darauf begann man auch die 2. Liga privat zu senden. So entgingen die Blau-Gelben nicht nur dem aufkommenden Medienzeitalter, Fernsehgelder blieben ebenfalls aus. Wer die Eintracht im Fernsehen wollte, war oftmals auf kurze Sendeschnipsel im Dritten Programm angewiesen.

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Blick auf den Treffpunkt "Rampe". Foto: Bernhard Grimm


Wir, die harten Kerle


Von nun an hörte und sah die Republik von den Braunschweiger Fans größtenteils nur noch negative Meldungen: "Die Szene wurde vom Gefühl her immer irgendwie negativ dargestellt. Wir waren die Rowdys aus Braunschweig. Dass wir dem Verein in dieser schweren Zeit die Treue gehalten haben, hat beim NDR niemanden interessiert. Aber die haben wenigstens überhaupt mal über Eintracht berichtet. In der Zeitung konntest du das ja nicht mehr lesen was da für ein Schwachsinn drin stand", ärgert sich Klaus M. heute noch: "Aber daran hat sich ja aktuell auch nicht geändert." In dieser langen Zeit entstand beim harten Kern der Fans eine gewisse Abneigung gegen Bericherstatter. Andere wiederum begegneten dem mit Humor: "Wir kokettierten gern mit diesem Klischee der harten Kerle, die absolut erlebnisorientiert waren."

Das große "Kuttensterben"


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Eintracht 100 – Eine Idee von Harald Tenzer, um den klammen Verein zu finanzieren. Foto: privat



Die Masse der Fans blieb ihrer Eintracht zum Großteil treu. Noch immer hatte man das Selbstverständnis eines Bundesligisten. "Während der gesamten Drittligazeit waren wir ja fast immer an der Spitze dabei. Das hat die Hoffnung am Leben gehalten: Wir kommen da wieder raus", analysiert Karsten König rückblickend. In der Tat zeigte sich Eintracht Braunschweig in jeder neuen Spielzeit ambitioniert, was dazu beigetragen hat, dass die Fans nicht in großen Mengen 'von der Fahne' gegangen sind. Doch änderte sich nun auch das Aussehen und Verhalten der Fans. Bereits gegen Ende der Siebziger kam der Gedanke von Fanzusammenschlüssen auf. Man wollte Stärke und Eintrachtzeigen. In dieser Zeit gründeten sich die ersten Fanclubs in Braunschweig. Sie trugen Namen wie Löwen '79, Haie Bad Harzburg, Schluckspechte oder Alte Kameraden. Der erste große Einschnitt an einer neuen Art der Fußballfans war, dass sie auf einmal damit aufhörten, sich wie Fußballfans zu kleiden. Plötzlich trug man auch vermehrt Bomber- oder Lederjacke und Springerstiefel. Lange Haare verschwanden und waren nicht mehr die Regel, plötzlich waren einige Fans kahlrasiert. Weg von Trikot und Kutte.

Hauptsache hart


In England beobachtete man dieses Phänomen schon eine Weile. Der Punkrock mit Bands wie den Sex Pistols, spaltete nun die Fanszene. Es ging klar gegen das Establishment – Hauptsache hart, Hauptsache radikal. Aus diesen 'Exoten' wurden mit der Zeit die 'coolen Typen'. Mit ihrer Kleidung, die sie auch privat trugen, gingen diese Fans auch ins Stadion. Manche 'Kuttenfans' begannen, sich Aufnäher von Punkbands auf die Kutte zu nähen. In dieser Zeit wurden auch vermehrt politische Signale in der Kurve wahrgenommen. Rechts oder Links war allerdings nicht immer klar erkennbar. Und bei den Wenigsten wohl auch wirklich Attitüde. Vielmehr wollte man mit diesem Verhalten zeigen: Wir sind eine Szene, mit der man sich besser nicht anlegt, wir sind die harten Jungs und wir sind die Kings. Bis zur Wiedervereinigung waren das die Braunschweiger Fans auch – zumindest zahlenmäßig. Niemand in der Regionalliga hatte eine derartige Kulisse aufzubieten.

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Lesen Sie morgen, wie die Wendezeit auch den Verein in Leidenschaft zog.

Hier geht es zu Teil 1: Die Fans

Hier geht es zu Teil 2: Die wilden Siebziger



Hier geht es zu Teil 4: Die Anfield Road der Regionalliga

Hier geht es zu Teil 5: Die Jahrtausendwende


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