Karate - Murmeln 12: Er ist ein Star – lasst ihn da drin!


Siehst du die Gitter an den Fenstern? Foto: Vollmer
Siehst du die Gitter an den Fenstern? Foto: Vollmer | Foto: Vollmer



Wenn man sich auf etwas verlassen kann, dann auf die Unsachlichkeit, mit der im Fußball gern diskutiert wird. Und das ist eigentlich auch okay so. Zumindest, wenn es um den Sport geht. Anders sieht es allerdings aus, wenn der grüne Rasen und sein unmittelbares Umfeld verlassen werden und es um das "wirkliche" Leben geht.

Dann sind Unsachlichkeit und fehlende Bereitschaft zu differenzieren nicht mehr witzig, sondern werden zu einem echten Problem. In etwa sechs Wochen wird Uli Hoeneß, ehemaliger Fußballspieler, Manager und Präsident des FC Bayern München, aus der Haft entlassen. Vorzeitig. Und das ist etwas, was manchen auf die Palme treibt. Früher wären solche Unmutsbekundungen wohl beinahe ungehört geblieben, auch weil das Thema an sich medial nicht so breit stattgefunden hätte. Aber heute? Da hat jeder seine Meinung, und die wird auch lautstark kundgetan. Am besten über Social-Media-Plattformen wie zum Beispiel Facebook. Und das klingt dann so: "Die Sau soll gefälligst drin bleiben!!!!!" "War doch klar! Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen!" "Unmöglich, wie für den das Recht gebogen und gedreht wird!" (Ich habe mir erlaubt, die Rechtschreibung zu korrigieren. Der Lesbarkeit wegen.)

Vermeintlich erfährt der verurteilte Steuersünder Uli Hoeneß also eine unerträgliche Sonderbehandlung. Nicht selten wird sogar vermutet, er habe sich freigekauft. Schließlich kann man Menschen mit Geld so ziemlich alles zutrauen. Dass gerade diese sich beklagenden Menschen oft genug darüber lamentieren, dass sie zu wenig Geld hätten, wundert mich dann schon ein wenig. Wollen sie denn wirklich moralisch abrutschen? Um den Preis des Seelenheils? Was kaum einer der lautstarken Meckerer und Chefankläger weiß und wohl leider auch noch nicht einmal ahnt: Er redet Mist. Er blamiert sich. Denn das bisherige Procedere im Fall des ehemaligen Fußball-Nationalspielers ist absolut üblich und lässt keinerlei Platz für Meinungen, Hoeneß werde geschont.

Dass dieses Meinen ohne Wissen nicht unbedingt etwas mit dem Fußball-Hintergrund der Person Hoeneß zu tun haben muss, ist spätestens seit der Causa Wulff, die einen erschreckenden Einblick in die Gemütslage vieler Landsleute bot, bekannt. Der Mob wollte "Blut" sehen, nichts anderes. Ein Großer, ein Mächtiger, der Mist gebaut hat? Maximal bestrafen, dann ist die eigene Existenz vielleicht besser zu ertragen. Ob die Schuld am Ende justiziabel war, ist unwichtig. Im Fall Christian Wulffs war sie es nicht, der ehemalige Bundespräsident wurde bekanntlich lupenrein freigesprochen, hatte zu diesem Zeitpunkt aber bereits fast alles verloren. Dafür konnten einige Publikationen ihre Auflage kurzfristig stabilisieren, außerdem wissen wir jetzt, dass die ZDF-Fernsehfrau Bettina Schausten von Freunden, die bei ihr übernachten möchten, Geld verlangt.

Zurück zu Uli Hoeneß. Wenn er am 29. Februar in die Freiheit entlassen wird, hat er die Hälfte seiner Haftstrafe abgesessen. Er hat sich gut geführt, seine Sozialprognose ist positiv (auch, weil der FC Bayern sich nicht von ihm abgewandt hat, was man ihm hoch anrechnen darf). Dazu hat er niemanden getötet oder schwer verletzt – sein Verbrechen war, dass er Steuern sparen wollte. Das ist übrigens etwas, das wir angesichts einer nominalen Steuer- und Abgabenlast in Deutschland von etwa 50% und einer tatsächlichen von um die 80% doch eigentlich alle wollen. Lassen wir also die Kirche im Dorf. Uli hat geschummelt, ist aufgeflogen, hat den Schaden bezahlt und ging in den Knast. Die Justiz hat die Möglichkeit – und macht davon auch regelmäßig Gebrauch – Haftstrafen nach der Hälfte der Dauer auf Bewährung auszusetzen. Das passiert jetzt bei Hoeneß. Nichts anderes.

Diejenigen, die jetzt brüllen, Hoeneß müsse in Haft bleiben, unterstellen ihm also einen Promi-Bonus, fordern aber das genaue Gegenteil: Einen Promi-Malus. Schwerer bestraft, weil bekannt? Das ist eines Rechtsstaats unwürdig, denn die Feststellung der Schuld und das Festlegen der Strafe haben grundsätzlich unbeachtet der Person zu erfolgen. Im Fall Wulff sorgte erst der Richter dafür, dass dieser Grundsatz eingehalten wurde. Glück für Uli Hoeneß, dass ihm ein überscharfer Staatsanwalt erspart blieb und sein Prozess absolut sauber verlief. Uli Hoeneß ist Ende Februar wieder ein freier Mann. Er hatte einen großen Fehler gemacht und dafür teuer bezahlt, mit viel Geld und mit seiner Reputation. Aber die Strafe ist abgesessen, er kann wieder normal leben. Und das ist auch richtig so.

Till

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Dies ist eine Kolumne von Till Oliver Becker. Die Meinung des Autors entspricht nicht zwingend der Meinung unserer Redaktion


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