Karate – Murmeln 16: Geschlossene Gesellschaft im DFB-Pokal


Von Karate bis Murmeln – wir haben alles im Programm! Foto: privat
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Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit überlegt der Profifußball laut Bild-Zeitung in diesen Tagen einen weiteren Schritt, seine Protagonisten in einer geschlossenen Gesellschaft zu versammeln. Mit dem Vorwand, dass die bloße Anzahl an Spielen zu viel werde für die Ligaspieler, geht man nicht ran an die Verursacher, die Europapokalwettbewerbe, sondern an den DFB-Pokal. Das Ziel: Weniger Spiele für Bundesligisten, also weniger Belästigung durch kleine Vereine.

Konkret wird angedacht, dass der Pokal für die Erstligisten später starten soll. Die wahrscheinlichste Variante: Anfangs sollen sich 58 Amateurklubs und die 18 Zweitligisten in einer Art Runde 0 ums Weiterkommen  prügeln. In der darauffolgenden Runde kommen zu den 38 "Überlebenden" zehn Bundesligisten dazu, die restlichen acht Erstligaklubs hätten immer noch Schonzeit und stießen erst danach zum Rest. Im Klartext muss ein Amateurklub für ein Spiel zum Beispiel gegen die Bayern schon zwei Runden überstehen. Und: Von den 58 Nicht-DFL-Teilnehmern würden 40  in dieser Runde 0 nicht einmal auf einen Zweitligisten treffen. Der SV Meppen zum Beispiel könnte also nach Unterhaching reisen müssen. Eine Reise von 800 Kilometern - einfache Fahrt. Übrigens, die ersten acht der Bundesliga sparten dabei gerade mal ein Spiel ein, sollten sie das Finale überhaupt erreichen. Immerhin stoßen diese Pläne nicht überall auf große Sympathien. Bayerns Trainer "Pep" Guardiola zum Beispiel meinte, dass der Pokal genau richtig sei, so wie er jetzt ist.

Der Fußball als Solidarsystem, er scheint ausgedient zu haben, wenn es um die eigene Absicherung zuungunsten des Wettbewerbs geht. In der freien Wirtschaft würde mancher von Kartellen sprechen, im Sport aber ist der Ligabetrieb mit zu kaufenden Lizenzen anstatt durchlässigem Auf- und Abstiegssystemen durchaus nicht unüblich. Nun ist der deutsche Fußball noch nicht soweit, über ein solches System abzustimmen. Aber ein nationaler Pokalwettbewerb, bei dem die Favoriten lange Schonzeiten zugestanden bekommen, ist ein erster Schritt dorthin. Und die Verlierer stünden auch bereits fest: Der Breitensport Fußball. Denn alles, was die Basis noch weiter von der Spitze entfernt, macht die Basis unattraktiver. Dann wird der Trend, sich Spiele im Fernsehen anzuschauen anstatt selbst zu spielen oder beim Heimatverein in der Kreisliga auf dem Platz mitzufiebern, noch weiter zunehmen. Bereits jetzt haben viele kleine Vereine massive Probleme Zuschauer zu bekommen, wenn parallel im Bezahlfernsehen Profifußball gezeigt wird.

Andere Verbände wie der englische machen es vor. Auch hier starten die Topklubs erst relativ spät in den nationalen Pokalwettbewerb. Allerdings ist der FA-Cup ansonsten sehr offen, was die Teilnahmemöglichkeiten angeht. Der Gewinn eines Länderpokals wird hier nicht vorausgesetzt. Es reicht, wenn man ein ausreichendes sportliches Leistungsvermögen besitzt und einen geeigneten Platz. 2011/12 nahmen deshalb weit über 700 Mannschaften an den Qualifikationsrunden teil - undenkbar in Deutschland, auch aufgrund der Entfernungen.

Es gäbe für den DFB-Pokal einiges an Verbesserungspotential. Der Vorschlag, dass das unterklassige Team grundsätzlich Heimvorteil besitzen sollte, kommt zum Beispiel immer wieder auf. Der Spannung im Wettbewerb würde es gut tun, wenn Zweitligisten bei Duellen mit Erstligamannschaften grundsätzlich zuhause spielen könnten. Trotzdem hat sich der Vorschlag bisher nicht durchsetzen können. Dabei ist eine Gleichbehandlung von Erst- und Zweitligisten nicht zuletzt aufgrund der massiven Unterschiede bei den TV-Geldern ungerecht. Aber was im Sport ist schon gerecht?



Till

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Dies ist eine Kolumne von Till Oliver Becker. Die Meinung des Autors entspricht nicht zwingend der Meinung unserer Redaktion

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