Kolumne Karate – Murmeln 10: Pferderennen in der Halle

von Frank Vollmer


Das letzte Mal in diesem Jahr: Karate - Murmeln.
Das letzte Mal in diesem Jahr: Karate - Murmeln. | Foto: privat



Bei meiner ersten Trainerstation als Co brachte mir mein Chef, ein erfahrener Oberliga-Spieler, eine Menge bei. Und vieles von dem, was ich damals bei ihm abschaute, Trainingsmethoden, Spieleransprachen, aber auch Taktisches, prägt meine eigene Arbeit bis heute. Mit einer Ausnahme: Sein Verhältnis zum Frauenfußball. "Frauenfußball, das ist wie Pferderennen mit Eseln", sagte er gern. Und wir haben alle gelacht. Klar, denn was wir vom Frauenfußball kannten, passte. Wir mussten uns damals den Platz mit einem Frauenteam teilen, und das, was die Damen nebenan zeigten, hatte mit Fußball nicht sonderlich viel zu tun. Manchmal haben wir eine Trainingspause eingelegt und den Frauen bei Torschüssen zugeschaut. Und was wir sahen, passte in unser Bild vom behäbigen, unansehnlichen Frauenfußball. Eben von einem Pferderennen mit Eseln.

Diese Zeit der Chauvi-Sprüche ist jetzt schon einige Jahre her. Und meine persönliche Meinung zum Frauenfußball hat sich verändert. Mittlerweile gehe ich sehr gern zum Frauenfußball, freiwillig und mit wachsender Begeisterung. Es ist eine andere Art Fußball als das, was wir Männer abliefern, natürlich. Denn die anatomischen Unterschiede zwischen Männern und Frauen können vielleicht in der Theorie wegdiskutiert werden, sie bleiben aber eben doch Tatsachen. Aber für eine Bewertung darüber, ob der gespielte Fußball gefällt, ist es überhaupt nicht wichtig, ob der Passgeber ein Zipfelchen hat oder nicht. Es geht um Leidenschaft, Spielverständnis, Authentizität. Und all das bietet der Frauenfußball doch längst.

Kürzlich war ich mal wieder bei einem Frauen-Hallenturnier. Und ich habe schnellen Fußball erlebt. Weniger Schüsse aus der dritten Reihe, die irgendwie einen Treffer erzwingen sollten, stattdessen tolle Kombinationen und hohe taktische Flexibilität. Da ärgerten die Damen aus der Kreisliga den favorisierten Oberligisten und trotzten ihm beinahe ein Remis ab. Da spielte die Torfrau bis zur Mittellinie mit und ermöglichte so den Siegtreffer in der Schlusssekunde. Und da nutzte die Stürmerin die Bande gleich mehrfach, um durch Solo-Doppelpässe zum Torerfolg zu kommen. Toller Sport, der unglaublich viel Spaß gemacht hat. Den Spielerinnen, aber auch den Zuschauern.

Was ich nicht gesehen habe: Sinnloses Schubsen, Anschreien, Tätlichkeiten. Ich gehe nicht soweit, den Frauenfußball zu verklären. Denn natürlich gibt es solche Unsportlichkeiten auch bei den Damen. Aber: Die Frequenz ist deutlich niedriger. Am Tag nach dem Frauen-Turnier schaute ich mir die Männer an gleicher Stelle an. Und ich stellte fest, dass ich das Zerren, Meckern und sinnlose Foulen gar nicht vermisst habe. Vergessen wir also den Blödsinn mit dem Pferderennen und den Eseln. Es ist einfach nur Fußball.

Till

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Dies ist eine Kolumne von Till Oliver Becker. Die Meinung des Autors entspricht nicht zwingend der Meinung unserer Redaktion


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