Kolumne Karate – Murmeln 8: Mokkabohne auf dem Kosakenzipfel

von Frank Vollmer


Heute: Der Kölmel is weg. Foto: Frank Vollmer
Heute: Der Kölmel is weg. Foto: Frank Vollmer | Foto: FrankVollmer



Gestern Abend, auf der Jahresmitgliederversammlung des Gesamtvereins Eintracht Braunschweig, platzte eine Bombe. Fast nebenbei teilte Rainer Cech, Vizepräsident des Vereins und verantwortlich für die Finanzen, den anwesenden Mitgliedern mit, dass man sich mit der Kölmel-Gruppe auf einen Rückkauf der audio-visuellen (also Fernseh-) Rechte geeinigt habe. Wahnsinn!

Klar, die Hoffnung, dass Eintracht diesen Schritt eines Tages würde gehen können, war immer vorhanden. Aber das kam jetzt doch unerwartet. Wir erinnern uns: Eintracht Braunschweig hatte Teile seiner Marketingrechte vor 15 Jahren an Sportwelt, eine Beteiligungsgesellschaft des Investors Michael Kölmel, abgetreten. Im Gegenzug erhielt der Verein ein Millionen-Darlehen. Und das hatte der Klub auch dringend nötig, denn die Neunziger Jahre waren nicht nett zur Eintracht. Seit dem Zweitligaabstieg 1993 ging es nicht wirklich vorwärts beim BTSV. Die dritte Liga - eine Liga ohne Perspektive. Altona 93 oder SV Lurup wollte in Braunschweig niemand sehen, Sponsoren waren selten. Der Klub war dazu über beide Ohren verschuldet. Der vorrübergehende Besuch aus Hannover in der Liga, das ausgerechnet sein hundertjähriges Bestehen zum Absteigen nutzte, brachte zwar eine gewisse Revitalisierung, aber dem Klub rannten die Kosten davon. Als die Welt die Jahrtausendwende feierte, stand Eintracht dicht vor einer Insolvenz. Und die Lichter wären wahrscheinlich ausgegangen.

In dieser Situation griffen der damalige Präsident Helmuth Dohr und sein Nachfolger Gerhard Glogowski nach dem letzten Strohhalm: Sportwelt. Deren Konzept war simpel: Der Verein und Sportwelt gründeten gemeinsam eine Vermarktungsgesellschaft, an der die Kinowelt-Tochter 74,9 und der Verein 25,1 Prozent hielt. 80 Prozent der Vermarktungserträge flossen in den Spielbetrieb, die übrigen 20 Prozent wurden entsprechend den Anteilen zwischen dem Verein und der Sportwelt aufgeteilt. De facto ließ sich Sportwelt den Kredit also mit 15% der Vermarktungserträge bezahlen. Aber das war auch okay so. Denn das Risiko, dass Michael Kölmel mit Eintracht ging, war nicht gerade gering. Die Strukturen des Vereins waren im besten Wortsinn amateurhaft, die Perspektiven bescheiden. Es ging gut, und Kölmel konnte mit Eintracht Geld verdienen. 2009 folgte eine Neuverhandlung der Verträge. Anstatt wie bisher 15% der gesamten Vermarktungserträge flossen ab diesem Zeitpunkt 15% der audio-visuellen Erträge an Kinowelt. Ein Herauskaufen Eintrachts aus diesem Vertrag schien utopisch, die dafür benötigte Summe hätte, auch dank der zwischenzeitlichen sportlichen Erfolge, im unteren zweistelligen Millionenbereich gelegen. Geld, das der Verein nicht hat, schien es.

Jetzt hat man also eine andere Lösung gefunden. Zum 1. Januar 2016 fallen sämtliche Rechte zurück an die Eintracht, Kinowelt bleibt allerdings mit deutlich niedrigeren Anteilen noch bis 2032 im Boot. Wenn man so will, hat Eintracht also eine Ratenzahlung vereinbart. Ob Sören Oliver Voigt auch bis 2032 Geschäftsführer der Eintracht Braunschweig GmbH & Co KGaA bleibt, ist unbekannt. Eintracht gehört sich wieder selbst. Und das ist gut so. Dem Vorstand um Sebastian Ebel kann man in Braunschweig so langsam wohl mal ein Denkmal bauen. Kein Vorstand davor hatte einen schwereren Start und hat es besser hinbekommen. Die gestrige Nachricht von der Emanzipation des Klubs ist da, wenn man so will, die vorläufige Mokkabohne auf dem Kosakenzipfel. Man darf gespannt sein, was noch folgt.

Till

___

Dies ist eine Kolumne von Till Oliver Becker. Die Meinung des Autors entspricht nicht zwingend der Meinung unserer Redaktion


mehr News aus der Region


Weitere spannende Artikel